ÖkoLinX-ARL: Kritik am Kommunalpolitischen Situationsbericht der OB Petra Roth, Seite 3 von 4


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Kritik am kommunalpolitischen Situationsbericht im PDF-Format


Frau Roth freut sich, dass Wohnungsbaugesellschaften und private Bauherren Passivhäuser errichten. Das ist schön. Da wird ein bißchen »Emission verringert«. Nach 30 Jahren Ökologiebewegung ist das alles? Nicht auf einer einzigen städtischen Baustelle, die ich kenne, wird nach ökologischen Gesichtspunkten gebaut oder renoviert. Nicht in einem einzigen Büroraum der Stadt wird ökologisch renoviert oder repariert. Jeden Tag bekommen alle Beschäftigten der Stadt, sobald sie morgens ihr Büro betreten, eine Ladung Giftluft in die Lunge. Gehen Sie mal am frisch renovierten Flurabschnitt der CDU-Fraktion im Römer vorbei. Bei den Giftschwaden verstehen sie manches. Halten Sie lieber die Luft an. 
In Frankfurt rollt ein mächtiger antiökologischer Rollback, der die Krebsraten der Bevölkerung hochjagt, außer sie können im Taunus ausgleichen, was sie in Frankfurt schlucken müssen. Auch dieser Teil der Realität ist nicht der Rede wert für den Kommunalpolitischen Situationsbericht. Welche tiefschürfenden Erkenntnisse hat uns die Oberbürgermeisterin in ihrem Kommunalpolitischen Situationsbericht vorgetragen? Sie will Großprojekte, die die soziale und die gesundheitliche Lage der Menschen in Frankfurt weiter verschlechtern. 
Roth: »Ich halte fest an notwendigen, sinnvollen und zukunftsweisenden Projekten: am Ausbau des Flughafens, an der Entwicklung des Europa-Viertels mit einem UEC, am Parkhaus unter dem Main und auch an einer verbesserten Polizeiverordnung, die ein Beitrag zur Lebensqualität im öffentlichen Raum wäre.«
Frau Roth verbreitet alle denkbaren Klischees über den Flughafen, als sei sie die Pressesprecherin der Fraport. Wir erfahren, dass Fisch frischer ist, wenn er vom Atlantik nach Frankfurt geflogen wird und nicht zu Fuß geht. Das ist eine wirklich verblüffende Erkenntnis. Wir erfahren von Ihnen nichts darüber, dass am Flughafen das Recht auf Demonstration eingeschränkt wurde. Auch kein Wort zum Waffenexport und zum Export deutscher Truppen in alle Welt. Kein Wort über Kinderflüchtlinge, die am Flughafen eingeknastet werden. Kein Wort über die mehr als 8500 Abschiebungen jedes Jahr - jeder abgeschobene Mensch mit einer Lebensgeschichte, die Frau Roth nicht interessiert. Jedenfalls nicht so sehr wie das entsetzliche Leid, dass einem Theaterkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) kürzlich widerfuhr, als ihm im Schauspiel ein Schreibblock aus der Hand gerissen wurde. 
Wenn OB und Magistrat es zulassen, dass in Frankfurt die Gesellschaftswissenschaften an der Uni geköpft werden und selbst die längst marginalisierte Kritische Theorie in ihrer Substanz beschädigt wird (Neueinstellung nur ohne materialistische Ausrichtung), wird klar, warum Adornos Schreibtisch unter Glas musste. Die Folgen für das intellektuelle Klima in Frankfurt sind hart. Wir haben dann noch mehr PolitikerInnen, deren philosophische Höhenflüge so klingen: 
Originalton OB Roth: »Wir wissen vieles, aber wir wissen nicht alles. Frankfurt entwickelt sich stetig weiter.«
Wer hätte das gedacht?
Was bedeutet es wenn Frau Roth sagt: Wir verwenden »Rückgriffe auf geschichtliche Bezüge«. Ich kenne Rücksitze in Autos und Griffe an einer Kommode und Kissenbezüge. Was sind »Rückgriffe auf geschichtliche Bezüge«? Und was macht mensch damit?
Platz 1 meiner Top Ten der peinlichsten OB-Sätze in ihrer heutigen Rede bezieht sich auf die künftige Bebauung des Geländes des Technischen Rathauses. Frau Roth sagt:
»Es geht um die Aneignung des historisch- städtebaulichen Kontextes und die Interpretation bzw. Reinterpretation dieser Geschichte aus der Perspektive der Gegenwart mit dem Blick auf die Zukunft.« Stellen wir uns das mal bildlich vor: Ein Auge nach vorn, ein Stielauge nach hinten, ein Arm eignet sich den »historisch- städtebaulichen Kontext« an, während Stielauge (Vergangenheit) mit Auge (Zukunft) spricht und beide konferieren, ob sie nun die verdammte deutsche Geschichte »interpretieren« oder »reinterpretieren«. 
Mein Lübecker Lieblingsfreund würde sagen: »Ich kann mir auch spitzen Käse durchs Knie schießen.«
»FDP-Chef Stein darf Sozialpassinhaber- Innen wie Dreck behandeln. Aber wenn ein Schauspieler einen FAZ-Theaterkritiker anpflaumt, wird er gefeuert!« Diese Art von OB-Sprache hat einen Grund. Solcher Wortmüll entsteht, weil Frau Roth nicht ehrlich sagen will: Eigentlich wollten wir auf dem Gelände des Technischen Rathauses Investorenästhetik, hässliche Klötze mit grobschlächtigen Fassaden, aber dafür mit vielen höchst profitabel verwertbaren Quadratmetern. Aber nun rebelliert auch das CDU-Publikum. Und wir müssen irgendwie altes Frankfurt nachbauen und rekonstruieren. Für wen und zu welchen Kosten und wessen Nutzen sagen wir noch nicht. Aber es soll echt alt aussehen. 
Ich habe im Sonderausschuss erfahren, dass sich heute ein paar Steine und Elemente der Frankfurter Altstadtbebauung vor 1945 in Häusern in Gelnhausen und anderswo in Hessen befinden. Lässt die OB nun Räuberbanden und Abrisskommandos in Hessen ausschwärmen? Ohne Plan wird das Technische Rathaus zurückgekauft und soll abgerissen werden. Und kaum einer hört die laute Stille, wenn ich wissen will, wem die Gebäude, die dorthin gestellt werden, nützen sollen? Wer soll da bauen? Mit wessen Geld? Wer soll und kann da wohnen? Welches sind die sozialen Voraussetzungen dieses vermeintlich reinen Ästhetik-Streits? 
Die ganze Debatte ist zuallererst eine soziale Auseinandersetzung, und so müsste sie auch geführt werden.
Petra Roth sagt: »Frankfurt ist nach wie vor die Kulturstadt.« Nach wie vor?
Kennen Sie den? Sagt der Masochist zum Sadist: »Quäl mich.«
Antwortet der Sadist genüsslich: »Nein.«
Sagt der FAZ-Stadelmeier zum Schauspiel: »Quäl mich!« - und geht immer wieder hin.
Antwortet das Schauspiel in Gestalt eines einzigen Schauspielers: »Na gut, wenn du unbedingt willst!« Und wie in einem Kuhkaff ist der Metropolenkritiker, der noch nichts erlebt zu haben scheint, sehr sehr gekränkt. Und wie in einem Provinznest ruft die OB die Intendantin an. Zwei Männer streiten sich. Kein blauer Fleck. Keine rassistische Attacke. Zwei erwachsene Männer streiten. Aber der eine ist bei der FAZ und die OB braucht die FAZ für den Wahlkampf. Deshalb hat der Schauspieler Pech. Statt eines Schlichtungsgesprächs oder maximal eines Eintrags in die Personalakte verliert er seinen Arbeitsplatz. 
Andere dürfen schlimmeres anrichten und verlieren trotzdem weder Amt noch Mandat, nicht einmal Wohlwollen. Da redet Volker Stein, der FDP-Fraktionschef, über Sozialpassinhaber wie ein reichsdeutscher Offizier über Hereros oder über Leprakranke. Er schimpft, dass sie es wagen, am helllichten Vormittag unverschämterweise schwimmen zu gehen und dass sie ihn und seine neoliberalen Kumpane auf diese Weise belästigen.


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