ÖkoLinX-ARL: Gründung der Fraktion ÖkoLinX/E.L. im Römer


Briefkopf ÖkoLinX/E.L. im Römer
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Kommunalwahl 2006
Die KandidatInnen
für den Römer

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Brief an die anderen Römerfraktionen

Transparent: Fraktionsfinanzierung
Wieviel Geld bekommen alle Römerfraktionen?


Frankfurt am Main, den 21. April 2006

Pressemitteilung

Neue Stadtverordnetenfraktion: ÖkoLinX/E.L. im Römer
Startet Schwarz-Grün mit einer Beschneidung der Oppositionsrechte und des Minderheitenschutzes?

1.

Wir möchten Ihnen unsere grundsätzliche Position für eine demokratische Auseinandersetzung in einem bürgerlichen Parlament vorstellen. Ihr hat sich seit der letzten Legislaturperiode auch der hessische Gesetzgeber mit der Aufhebung der 5 Prozent-Klausel angenähert: Jede gesellschaftliche Strömung ist damit grundsätzlich Teil der parlamentarischen Auseinandersetzung und Arbeit. Dass sich die vorhandenen vielfältigen und einander widersprechenden Positionen bei der Suche nach einer Perspektive der Stadtgemeinschaft ausdrücken können, ist somit explizit erwünscht. Wir verkennen dies aber nicht etwa als basisdemokratische Organisierung der gesellschaftlichen Willensbildung.

Das Ganze bleibt praxislose Theorie, wenn die Öffnung gleich wieder zurückgenommen wird. Das wird sie, sofern nicht auch die Arbeitsfähigkeit der parlamentarischen Vertretungen dieser unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Strömungen unabhängig von Größe, Status (Stadtverordnete, Gruppe oder Fraktion), Regierungsteilhabe oder Opposition gewährleistet wird.

Arbeitsfähigkeit in einer kleinen Gemeinde bedeutet etwas anderes als in einer Finanzmetropole wie Frankfurt. Laut www.parlis.de müssen im Frankfurter Stadtparlament in fünf Jahren mehr als 40 000 Vorlagen geprüft, bewertet und votiert werden. In vielen Fällen verlangte und verlangt die qualifizierte Teilhabe und die qualifizierte Kontrolle des Magistrats durch die Opposition zusätzliche, oft mühsame Recherchen. All das erfordert ganz konkret materielle Grundlagen: Räume, Archiv- und Aktenraum, Computer, Telekommunikation, Personal, Geldmittel usw.

Unabhängig davon, dass wir Ihnen heute unsere neue Fraktion »ÖkoLinX/E.L. im Römer« vorstellen sagen wir ganz klar: Jedem Stadtverordneten, der sich nicht einer Fraktionsgeschäftstelle bedienen kann, steht eine materielle Grundausstattung zu, sofern die demokratische Beteiligung aller gewählten VertreterInnen nicht nur ein Feigenblatt für die herrschende Mehrheit sein soll.

Der Landtag, bestehend aus hauptamtlichen Parlamentariern und vielen hoch bezahlten Fachleuten, hat nachlässig gearbeitet. Die neue Hessische Gemeindeordnung lässt vieles im Unklaren: Der Umgang mit den ins Parlament gewählten Stadtverordneten ist in mehrfacher Hinsicht offen. Damit sind kleinere Oppositionsgruppen der Willkür von Parlamentsmehrheiten ausgesetzt, z.B. bei der Festlegung des Fraktionstatus. Willkür ist z.B. wenn eine Mehrheit das Wahlergebnis abwartet, um dann gezielt ungeliebte Oppositionsströmungen kaltzustellen. So mißbräuchlich darf der Gestaltungsspielraum von parlamentarischen Mehrheiten nicht ausgelegt werden.

Gegebenenfalls müssen Verwaltungsgerichte gegen derartige Willkürentscheidungen eine scharfe Grenze ziehen. Das schließt einen weiten autonomen Gestaltungsraum der Politik gegenüber den Gerichten keineswegs aus. Im Gegenteil: Diese Grenzziehung wäre die Voraussetzung für einen demokratischen Mindeststandard dieser Gestaltungsmöglichkeiten.

Eine etwaige Verurteilung von einzelnen Stadtverordneten zur selektiven Arbeit, d.h. ihr Ausschluß von einem großen oder dem größten Teil parlamentarischer Entscheidungen, beraubt den oder die Gewählte um verbriefte Rechte in einem Parlament. So würde auch der WählerInnenwille negiert.

Die Ausgrenzung von kleinen und größeren gesellschaftlichen Strömungen würde bedeuten, Teile einer ja real existierenden städtischen Opposition mit samt ihrem Recht auf Kritik, Kontrolle und Korrektur auszuschalten. So würde ausgerechnet von denjenigen, die so gern das dramatisch gesunkene Interesse an den Kommunalwahlen beklagen dem Parlament noch mehr Legitimität entzogen. Überaus deutlich würde dann das Parlament, weit mehr noch als bisher, nur einen begrenzten, sich selbst genügenden, abgehobenen Ausschnitt der Stadtgesellschaft widerspiegeln.

2.

Wir informieren Sie hiermit darüber, dass Jutta Ditfurth, Stadtverordnete von ÖkoLinXAntirassistische Liste und Luigi Brillante, Stadtverordneter der Europa Liste, dem Stadtparlament bzw. Büro der Stadtverordnetenversammlung die Bildung einer Stadtverordnetenfraktion mit dem

Langnamen: »ÖkoLinX-Antirassistische Liste/Europa Liste«
und dem
Kurznamen: »ÖkoLinX/E.L. im Römer«

zum 1.4.2006 angezeigt haben. Die neue Fraktion erfüllt die Anforderungen der neuen HGO, § 36 a: Sie hat zwei Stadtverordnete und erklärt ihre Konstituierung gemäß § 36 a Abs. 2 HGO.

Weder Luigi Brillante noch Jutta Ditfurth gehören einer anderen Fraktion an. Wir konstituieren unsere Fraktion nach der Wahl und noch vor der konstituierenden Stadtverordnetenversammlung am 27.4.2006. Die neue HGO erlaubt ausdrücklich den Zusammenschluß von Stadtverordneten zu einer Fraktion, die über verschiedene Wahllisten ins Parlament gekommen sind. So haben sich in Dietzenbach sogar FDP und ÖDP zu einer Fraktion zusammengeschlossen:

»Der Zusammenschluss (…) verdankt sich einer Änderung der Hessischen Gemeindeordnung von 2005, nach der Gemeindevertreter unabhängig von der Parteizugehörigkeit eine Fraktion bilden können.«
(Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 11.4.2006)

Die Bildung einer Fraktion direkt nach einer Wahl wird in Kommentaren zur HGO ausdrücklich von Fraktionskonstituierungen während einer Wahlperiode unterschieden:

»Bei der Bildung der Fraktionen sind zwei verschiedene Zeitpunkte zu unterscheiden. Dies ist zum einen der Beginn der Wahlperiode und zum zweiten der darauf folgende Zeitraum. Es gelten nämlich für den unmittelbar auf eine Kommunalwahl folgenden Zeitraum andere Regeln als während der restlichen Mandatsperiode.«
(Bennemann-Kommentar zur HGO von Aug. 2005)

Die Mehrheit des Stadtparlaments hat in der vergangenen Wahlperiode darauf verzichtet, die künftige Größe einer Fraktion abweichend von der HGO-Anforderung (mindestens 2 Stadtverordnete) festzulegen. Frühestens kann dies die kommende erste Sitzung des Stadtparlaments tun. Angeblich ist keine Verschärfung dieser Mindestanforderung in Frankfurt geplant, die Zahl »drei« soll nur genannt worden sein, weil es keine Zwei-Personen-Fraktion gibt.

Nun gibt es sie.

Natürlich ist es unser Interesse, mit Hilfe unserer Fraktion angemessene Arbeitsbedingungen zu erhalten, als eine materielle Grundlage für die Auseinandersetzung um die Zukunft der Menschen in dieser Stadt Frankfurt.

Zur Fraktion gehören auch zwei Abgeordnete in zwei Ortsbeiräten:
• Gianfrancesco Costantino (Ortsbeirat 1: Innenstadt/Gallus/Gutleut; Wahlliste: Europa Liste)
und
• Manfred Zieran (Ortsbeirat 3: Nordend; Wahlliste: ÖkoLinX-Antirassistische Liste).

3.

Eine nachträgliche Änderung der Geschäftsordnung, in der die Fraktionsstärke, abweichend von der HGO, auf mindestens drei Stadtverordnete festgelegt wird, würden wir als Willkürakt begreifen müssen, als einen Mißbrauch, der – wie der Bennemann-Kommentar zur HGO ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Kassel zitiert – den Minderheitenschutz aushebelt und politische Strömungen in der Stadt Frankfurt ausgrenzt:

»Der Minderheitenschutz ist insbesondere dann verletzt, wenn die in der Geschäftsordnung getroffene Regelung nicht auf sachgerechten Erwägungen beruht, sondern gegen das Mißbrauchsverbot verstößt. Das Mißbrauchsverbot verbietet vor allem eine Regelung, die sich gegen eine bestimmte politische Gruppierung oder bestimmte Abgeordnete richtet, mit dem alleinigen oder vorrangigen Ziel, ihre Tätigkeit zu beeinträchtigen und sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten.«

Wir gehen aber davon aus, dass keine willkürliche neue Grenze gezogen wird, die die HGO repressiv auslegt. Parteipolitische Interessen dürfen nicht die von den WählerInnen gewollte politische Auseinandersetzung über die Zukunft unseres Zusammenleben verhindern bzw. unterdrücken.

4.

Unsere Aufforderung, die Fraktionsstärke von zwei Stadtverordneten, welche die HGO vorschreibt, nicht nachträglich, nach der Kommunalwahl, zu verändern, geht sowohl an die wahrscheinliche künftige CDU/Grüne-Regierungskoalition als auch an die Opposition aus SPD, Linkspartei und FAG. Wir sind gespannt, ob die Grünen ihre Vergangenheit als basisdemokratische Minderheit vergessen haben. Wir sind neugierig, ob sich die Selbstbeschreibung der CDU als »tolerant und weltoffen« nur auf die Teilnahme an internationalen Immobilienmessen und Wirtschaftskongressen oder auch auf die Beteiligung von unabhängigen Linken und parteiunabhängigen MigrantInnen im Frankfurter Stadtparlament bezieht. Wieviel demokratische Breite werden CDU und Grüne zugestehen?

Aber wir sind auch neugierig, ob die anderen Oppositionsfraktionen, vor allem die SPD als die größte, die Arbeitsfähigkeit einer qualifizierten Konkurrenz nicht nur dulden, sondern durch Zustimmung aktiv ermöglichen und ob die SPD trotz ihrer Wahlniederlage selbstbewußt genug ist, sich mit anderen parlamentarischen gesellschaftspolitischen Strömungen ernsthaft und inhaltlich auseinanderzusetzen.

Die Koalitionsbildung ist noch nicht abgeschlossen. Es gibt nicht nur eine schwarz-grüne Mehrheit oder die Mehrheit einer großen Koalition. Es gibt auch eine Mehrheit jenseits der CDU, mit den Grünen, um eine demokratische Breite, um Fraktionsrechte für die vereinigten unabhängigen Linken und parteiunabhängigen MigrantInnen durchzusetzen, bevor Schwarz- Grün startet.

5.

Wir sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet.
Wir versuchen, mit den anderen Fraktionen zu sprechen, um einen demokratischen Konsens zu finden. Das wäre uns die liebste Lösung.
Aber für den Fall eines politisch gewollten Willküraktes einer Mehrheit des Stadtparlaments sind wir auch auf rechtliche Schritte vorbereitet. Eine juristische, gerichtliche Auseinandersetzung ist wahrhaftig nicht unser Wunsch, aber wird werden einem eventuellen undemokratischen Zwang nicht ausweichen.

6.

Die Grundlage unserer Fraktionsarbeit ist:
• die unbedingte Parteinahme für die Schwächsten, der Widerstand gegen Strukturen und Gesetze, die die Menschen ins Elend stürzen
• der Kampf für ein gesundes Leben für alle Menschen in dieser Stadt und für den Erhalt der letzten ökologischen Nischen
• die Förderung der Entfaltung der Potentiale aller Menschen, unabhängig von ihrer sozialen Lage (z.B. Bildung unter Berücksichtigung der Probleme der Kinder von MigrantInnen)
• die Verteidigung der bedrohten demokratischen Rechte
• die Verwirklichung eines konsequenten Humanismus gegen alle Formen der Diskriminierung, des Rassismus und des Antisemitismus und einen kompromisslosen Kampf gegen menschenverachtende faschistische Ideologien und Praxis.

Die inhaltliche Überschneidung zwischen den beiden Stadtverordneten von ÖkoLinXAntirassistische Liste/Europa Liste reicht damit weit über die Übereinstimmungen z.B. zwischen den Flügeln der CDU hinaus.

Mit freundlichen Grüßen

Jutta Ditfurth

Luigi Brillante


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